Infrarot-Laserkontrolle chemischer Reaktionen demonstriert

Erfolgreich in der Grundlagenforschung: Dr. Ashour Ahmed und Professor Oliver Kühn (v.l.). (Foto: Universität Rostock, Thomas Rahr)

„Grundlagenforschung benötigt manchmal einen langen Atem“, sagt der Rostocker Physiker. Mit der Erfindung des Lasers in den 1960er Jahren entstand die Idee einer gezielten Beeinflussung chemischer Reaktionen, beispielsweise der Bruch einer Bindung zwischen zwei Atomen durch die geeignete Wahl der Wellenlänge des Lichtes. Das kann man sich so vorstellen, als ob eine Schaukel gerade im richtigen Takt angestoßen werde, so dass sie immer höher schwingt. Im Unterschied zu traditionellen Methoden der Chemie zur Beeinflussung von Reaktionen, zum Beispiel durch Änderung von Druck oder Temperatur, ist die Anregung mit Laserlicht viel spezifischer, so dass konkurrierende Reaktionen unterdrückt werden können.

Das Problem dabei ist jedoch, dass die Bindungsschwingungen von Molekülen nicht unabhängig voneinander sind, ähnlich, wie man es von gekoppelten Pendeln aus dem Physikunterricht kennt. Regt man eine Schwingung mit infrarotem Laserlicht an, so verteilt sich die Energie sehr schnell auf das gesamte Molekül. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. In der molekularen Welt bedeutet das, dass man schneller als 0,000.000.000.001 Sekunden sein muss. „Obwohl seit den 1980er Jahren bereits deutlich kürzere Laserblitze erzeugt werden können, blieben Versuche, zwei Reaktionspartner in einer Lösung zu einem Produkt zu vereinen, erfolglos“, blickt Professor Kühn zurück. Das Auslösen dieser Reaktionen sei deshalb so schwierig, weil die Reaktionspartner in der Lösung schwimmen und sich nur hin und wieder treffen. Deshalb musste eine Reaktion gefunden werden, bei der die Reaktionspartner bei Raumtemperatur bereits Komplexe bilden, die dann durch gezielte Einstrahlung von infrarotem Laserlicht beeinflusst werden können. Die ersten Ideen zur Steuerung derartiger Reaktionen seien bereits in einer vor zwanzig Jahren von ihm gemeinsam mit Berliner Kollegen publizierten Arbeit entwickelt worden.

Hat diese Grundlagenforschung langfristig praktische Bedeutung? Ein deutliches „Ja“ kommt dazu von Prof. Kühn. „Bei der von uns untersuchten Reaktion wird ein Polymer gebildet und unsere experimentellen Kollegen waren in der Lage, mit dem Laser ein Polymermuster zu schreiben.“ Dies deutet auf eine potenzielle Anwendung in der Fotolithografie hin, ein Verfahren, bei dem durch Belichtung mit hochenergetischen Photonen (UV-Licht) Muster auf Materialien aufgebracht werden. „Es ist eine etablierte Technik, mit der beispielsweise die extrem kleinen Strukturen auf Computerchips oder Strukturen in 3D-Druckern hergestellt werden“, erläutert Kühn. In der wissenschaftlichen Arbeit der Physiker aus Rostock und Berlin wurde gezeigt, dass es auch mit niederenergetischer Infrarotstrahlung möglich ist, Polymerstrukturen zu schreiben. Zugespitzt formuliert Professor Kühn: „Man braucht keinen Vorschlaghammer, um Moleküle zu einer Reaktion zu bewegen, bereits ein kleines Hämmerchen kann ausreichend sein“.

Quelle: Pressestelle Rostock

Originalveröffentlichung: T. Stensitzki, Y. Yang, V. Kozich, A. A. Ahmed, F. Kössl, O. Kühn, K. Heyne: Acceleration of a ground state reaction by selective femtosecond infrared laser pulse excitation. Nature Chemistry 10, 126–131 (2018)  


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