Ehrenpromotionen der Physik seit 1990
Die Würde eines Ehrendoktors der Naturwissenschaften doctor rerum naturalium honoris causa (Dr. rer. nat. h. c.) der Universität Rostock ist seit 1990 bis 2017 an fünf Wissenschaftler aus dem Fachgebiet Physik verliehen worden:
Yuri Lvovich Klimontovich, Hans Arwed Weidenmüller, Friedrich Hensel, Vladimir Evgenievich Fortov und Roland Sauerbrey.
Siehe auch Kalenderblatt Dezember 2017 sowie Ehrendoktorurkunden der Universität Rostock an Physiker aus den Jahren 1919 (A. Einstein, M. Planck), 2000 (H. A. Weidenmüller), 2002 (F. Hensel) und 2010 (R. Sauerbrey) im Vergleich.
Yuri Lvovich Klimontovich (Moskau)
Ehrendoktorwürde verliehen am 25.10.1990 an den russischen Theoretischen Physiker Prof. Dr. Yuri Lvovich Klimontovich (geb. 28.09.1924 in Moskau, gest. 27.11.2002 in Moskau) auf Initiative von Physikern der Universitäten Rostock und Greifswald sowie Berlin. Zu nennen sind insbesondere Prof. Dr. Dietrich Kremp und Dipl.-Phys. Michael Bonitz (geb. 1960, seit 2003 Professor an der Universität Kiel) aus Rostock sowie Prof. Dr. Werner Ebeling aus Berlin. Alle drei haben längerfristige Aufenthalte an der Moskauer Lomonossov Universität zur gemeinsamen Arbeit mit Yuri Klimontovich genutzt: Werner Ebeling Anfang der 1960er Jahre als Aspirant, Dietrich Kremp danach als Gastwissenschaftler und Michael Bonitz als Student (Diplomand) in den 1980er Jahren.
Der Antrag auf Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Wilhelm-Pieck-Universität Rostock datiert vom 14.04.1988. Die Sektion Physik begründet auf fünf Seiten ihren Antrag und endet damit, dass eine derartige Auszeichnung für einen Wissenschaftler vom Range Prof. Dr. Klimontowitschs auch der Wilhelm-Pieck-Universität zur Ehre gereichen würde [1]. Das Antragsschreiben ist unterzeichnet durch den Direktor der Sektion Physik Prof. Dr. Dietrich Kremp (tatsächlich unterschrieben in Vertretung (i. V.) von Prof. Dr. Hans-Georg Neumann) sowie (wie in der DDR üblich) durch den GO-Sektretär der Sektion Physik (unterschrieben hat Doz. Dr. Joachim Finster als Sekretär der Grundorganisation der SED) und den BGL-Vorsitzenden der Sektion (unterschrieben hat Dr. Wolfhart Göcke als Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung).
Obwohl sowohl der Fakultätsrat der MNF am 25.04.1988 als auch der Senat der Universität am 17.12.1988 dem Antrag zustimmen, kommt die geplante Ehrendoktorwürde aus Anlass des 65. Geburtstags von Prof. Klimontovich am 28. September 1989 nicht zustande. Erst nach der politischen Wende genehmigt am 16.06.1990 der Ministerrat der DDR, Ministerium für Bildung und Wissenschaft mit Schreiben von Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, die Rostocker Ehrenpromotion. Der Festakt beginnt am 25.10.1990 um 14 Uhr in der Aula im Universitätshauptgebäude.
Aus der Urkunde: Damit werden seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der statistischen Physik und der kinetischen Theorie der Plasmen und Gase sowie seine langjährigen Verdienste um die Förderung der Theoretischen Physik an der Universität Rostock gewürdigt.
Vita [2, 3]: Physik-Diplom 1948 an der Moskauer Staatlichen Universität (MGU), Promotion 1951 bei N. N. Bogoljubov, Habilitation 1962, 1964 Ernennung zum Professor an der Physikalischen Fakultät an der MGU, oftmaliger Gastprofessor, u. a. in Rostock und Brüssel, Autor einflussreicher Fach- und Lehrbücher zur Statistischen Physik und zur Theorie von Nichtgleichgewichtsprozessen.
[1] Akte Ehrenpromotion Juri Lwowitsch Klimontowitsch, Universitätsarchiv Rostock.
[2] M. Bonitz, W. Ebeling, Yu. M. Romanovsky: Contributions of Yuri L. Klimontovich to the kinetic theory of plasmas, Contributions to Plasma Physics 43 (2003), No. 5-6, 247-251.
[3] R. Balescu, S. Trigger, M. Bonitz: In memoriam: Yuri Lvovich Klimontovich, Journal of Physics: Conference Series 11 (2005), Kinetic Theory of Nonideal Plasmas.
[4] Zwei Buch-Publikationen [4a] und [4b] von Werner Ebeling aus dem Jahr 1984 mit Yuri L. Klimontovich als Autor (Digitalisate: R. Mahnke).
Hans Arwed Weidenmüller (Heidelberg)
Ehrendoktorwürde verliehen am 07.07.2000 an den deutschen Theoretischen Physiker Prof. Dr. Hans Arwed Weidenmüller (geb. 26.07.1933 in Dresden) auf Vorschlag von Prof. Dr. Gerd Röpke.
Die Akademische Festveranstaltung findet im Konzilzimmer des Universitätshauptgebäudes statt. Nach der Laudatio von Gerd Röpke hält Hans Arwed Weidenmüller seinen Festvortrag zum Thema: Was ist mesoskopische Physik?
Aus der Urkunde: In Würdigung seiner herausragenden wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der statistischen Physik, speziell der Herausarbeitung einer neuen statistischen Theorie für die Beschreibung von Reaktionen in finiten Systemen.
Vita [4, 5]: Physik-Studium in Bonn und Heidelberg, 1963 Prof. für Theoretische Physik in Heidelberg, danach am Max-Planck-Institut für Kernphysik, von 1972 bis zu seiner Emeritierung 2001 als Direktor.
[4] de.wikipedia.org/wiki/Hans-Arwed_Weidenmüller
[5] www.physi.uni-heidelberg.de/physikerberichten/Weidenmueller2.pdf
Friedrich Hensel (Marburg)
Ehrendoktorwürde verliehen am 29.11.2002 an den deutschen Physikochemiker Prof. Dr. Friedrich Hensel (geb. 16.07.1933 in Essen) auf Vorschlag von Prof. Dr. Ronald Redmer.
Die Akademische Festveranstaltung findet in der Aula des Universitätshauptgebäudes statt. Nach der Laudatio von Roland Redmer hält Friedrich Hensel seinen Festvortrag zum Thema: Fluide Metalle unter hohem Druck: Metall-Nichtmetall-Übergang.
Aus der Urkunde: Damit werden seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Hochdruckphysik ... sowie seine langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Universität Rostock gewürdigt.
Vita [6]: Physik-Studium in Göttingen, 1966 Promotion am physikalisch-chemischen Institut der Universität Karlsruhe, 1972 Habilitation für Physikalische Chemie in Karlsruhe, 1973 Professur für Physikalische Chemie an der Philipps-Universität Marburg bis zu seiner Emeritierung 2001.
[6] de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Hensel_(Physikochemiker)
Vladimir Evgenievich Fortov (Moskau)
Ehrendoktorwürde verliehen am 16.06.2006 an den russischen Theoretischen Physiker Prof. Dr. Vladimir Evgenievich Fortov (geb. 23.01.1946 in Noginsk bei Moskau) auf Vorschlag von Prof. Dr. Ronald Redmer.
Während der Festveranstaltung in der Aula nach der Laudatio von Roland Redmer hält Vladimir E. Fortov seinen Festvortrag zum Thema Strongly Nonideal Plasmas: Charge and Density Coupling.
Der Text der Urkunde lautet: Damit werden seine Pionierleistungen auf dem Gebiet der Erzeugung und Diagnostik von dichten, stark korrelierten Plasmen gewürdigt. In einer Reihe von bahnbrechenden Arbeiten konnten dadurch neue Zustände von Materie bei hohen Energiedichten erstmals experimentell untersucht werden. Herr Fortov hat diese Forschungsrichtung der Physik in Rostock durch eine langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit entscheidend mitgeprägt und gefördert.
Vita [7]: Physik-Studium ab 1962 am Moskauer Institut für Physik und Technologie, 1971 Promotion in Plasmaphysik, 1978 Professor für Physik und Chemie an der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften, seit 1992 Direktor des Instituts für Hohe Energien der Russischen Akademie der Wissenschaften, 2013 bis 2017 Präsident der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Roland Sauerbrey (Dresden)
Ehrendoktorwürde verliehen am 07.05.2010 an den deutschen Physiker Prof. Dr. Roland Sauerbrey (geb. 28.10.1952 in Coburg) auf Vorschlag vom Prof. Dr. Karl-Heinz Meiwes-Broer als Sprecher des Sonderforschungsbereiches (SFB 652) Strong correlations and collective effects in radiation fields: Coulomb systems, clusters and particles.
Die akademische Festveranstaltung beginnt um 11 Uhr in der Universitätskirche (das Universitätshauptgebäude ist wegen Bauarbeiten gesperrt) [8]. Nach der Laudatio von Karl-Heinz Meiwes-Broer spricht Roland Sauerbrey zum Thema Die Kraft des Lichts.
Aus der Urkunde: Damit werden seine grundlegenden Beiträge zur Laserphysik und zur Laser-Materie-Wechselwirkung bei hohen Intensitäten sowie seine Arbeiten zu deren Anwendung in der Radiotherapie gewürdigt.
Vita [9]: Physik-Diplom 1978 an der Universität Würzburg, 1981 Promotion, Humboldt-Stipendiat, 1994 Professor für Experimentalphysik und Direktor des Instituts für Optik und Quantenelektronik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, seit 2006 Wissenschaftlicher Direktor am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Professur für Quantenoptik an der Technischen Universität Dresden.
[8] Fotos unter webapp.uni-rostock.de/rz/MS_fotos/2010/Sauerbrey_10/