Gerhard Schulz – Erinnerungen an die Rostocker Physik nach 1945

Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Gerhard Schulz in einem Selbstporträt 1946 als Assistent am Physikalischen Institut der Universität Rostock (Foto: G. Schulz).
Innenansicht des großen Hörsaals im Physikalischen Instituts am Rostocker Universitätsplatz. Original-Foto aus dem Nachlass von Gerhard Schulz, aufgenommen im Frühjahr oder Sommer 1946 (Foto: G. Schulz).

Diplom-Ingenieur Dr. Gerhard Schulz wird im Catalogus Professorum Rostochiensium (CPR) als Dozent für Technische Mechanik und Strömumgslehre 1952 - 1954 an der Schiffbautechnischen Fakultät gelistet. Also ein typischer Ingenieur. Oder doch ein Experimentalphysiker? Schauen wir in das Verzeichnis der an der Rostocker Physik ab 1945 verteidigten Promotionen, so finden wir dort Gerhard Schulz im Jahre 1952 unter der laufenden Nummer fünf mit folgendem Eintrag:

5. Urkunde: 19.05.1952, Dr. rer. nat.

  • Examen: 13.05.1952
  • Name: Schulz, Gerhard
  • Lebensdaten: geb. 03.09.1914 (Kiel), gest. 11.12.2001 (Troisdorf-Spich) 
  • Promotionsgebiet: Physik (Experimentalphysik)
  • Titel: Entwicklung von Zählrohren für möglichst niedrige Betriebsspannungen
  • Gutachter: Paul Kunze, Hans Falkenhagen

Bei Einsicht in die Promotionsakte (geschehen am 16.02.2012 im UA Rostock) stellt sich heraus, dass Gerhard Schulz der erste Absolvent im Fach Physik an der im September 1951 gegründeten Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät (MNF) der Universität Rostock ist. Sein Verfahren beginnt am 15. April 1952, noch auf einem alten Formularbogen der Philosophischen Fakultät. Die Promotionsurkunde stellt die MNF unter Dekan Rudolf Kochendörffer am 19. Mai 1952 mit dem akademischen Grad Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) aus.

Nun noch ein Blick auf den Lebenslauf des Ingenieurs und Physikers Gerhard Schulz, gern Propeller-Schulz genannt (Hinweis von Prof. Eberhard Gerdes am 07.06.2012). Wir entnehmen aus dem Nachruf, verfasst von seinem ältesten Sohn Prof. em. Horst D. Schulz, wohnhaft in Rostock-Warnemünde:

Ab 1935 Maschinenbau-Studium an der TU Hannover, seit Frühjahr 1939 bis 1945 tätig bei Heinkel in Rostock-Marienehe. Dann schließlich erhielt er eine Assistentenstelle am Physikalischen Institut der Universität Rostock, das wieder den Lehrbetrieb begann, und das versuchte, funktionierende Strukturen aufzubauen. Viele, nicht immer wirklich interessierte Medizin-Studenten hat er im physikalischen Praktikum betreut; aus dieser Zeit resultierte ein lebenslanges tiefes Misstrauen gegenüber allen Ärzten. Diese Stelle bot aber auch die Gelegenheit zur Promotion. 1952 wechselte er auf eine Dozentenstelle an der neu gegründeten Schiffbau-Fakultät der Universität Rostock. Damit hatte er zwar nicht zur Aerodynamik, aber doch immerhin zur Strömungslehre zurückgefunden. Aber die mit großer Begeisterung angetretene neue Stelle zeigte sehr bald einen wesentlichen Nachteil. In der Fakultät hatte mehr und mehr die Partei SED ihren Einfluss geltend gemacht, und sie verlangte nun vor dem Erreichen einer Professur von ihm zumindest einen kleinen Ausdruck der Ergebenheit, nämlich einen Vortrag über das Thema: „Zusammenhänge zwischen der Einsteinschen Weltanschauung und den Lehren des sozialistischen Materialismus“. Gerhard Schulz verweigerte diesen Vortrag und floh mit seiner Familie im Sommer 1954 aus der DDR in die Bundesrepublik.

Fotos, aufgenommen von Gerhard Schulz auf Glasplatten im Frühjahr oder Sommer 1946, zeigen das Rostocker Physikalische Institut kurz nach dem Krieg. Dankensweise bewahrte sein Sohn Horst D. Schulz, ehemals Professor für Geochemie an der Universität Bremen, den Fotonachlass auf und stellte Digitalisate dieser Fotos zur Veröffentlichung zur Verfügung.

Zum Schluss noch eine kleine Besonderheit. Die Tochter von Horst D. Schulz, Frau Heide Schulz-Vogt, also eine Enkelin von Gerhard Schulz, ist seit 2012 Professorin an der Universität Rostock, berufen am An-Institut für Ostseeforschung (IOW) in Rostock-Warnemünde. So schließt sich der Kreis über drei Generationen.

Reinhard Mahnke, 25.09.2012, 04.04.2012, 04.04.2017

Kalenderblatt September 2012

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