Sonderkolloquium anlässlich des Jubiläums-Treffens des Matrikel 1972 am 23.09.2022, 10 Uhr im Hörsaal 1.

Abb. 1 Phasendiagramme von Kohlendioxid (links) und Ammoniak (rechts).

Gäste sind herzlich willkommen und zum anschließenden Glas Sekt eingeladen.

Vertreter:innen des Matrikels: Dr. Hubertus Künstner und Dr. Viola v. Oeynhausen

Zum Inhalt des Kolloquiums:

 

 

Zur Verantwortung von Natur – und  Technikwissenschaftlern und zum Klimaproblem

von Werner Ebeling und Lutz-Günther Fleischer

     Leibniz – Sozietät Berlin

Auf dem Leibniz – Tag 2022 war das Referat der Präsidentin der Leibniz – Sozietät Gerda Hassler der Leibnizschen Theodizee und der Verantwortung von Wissen- schaftlern für eine bessere Welt gwidmet.Die hier vorgelegten Überlegungen sind aus der Diskussion dazu entstanden [1]. Bekanntlich hat Leibniz mit seiner Theodizee einen Rahmen für die Diskussion der Verantwortung der Wissenschaften für eine bessere Welt gegeben. Die Wahrnehmung dieser Verantwortung ist sicher spezifisch für die einzelnen Wissenschaftszweige, aber für alle Wissenschaften fundamental.

Leibniz unterschied drei Klassen des Übels: malum morale (das moralische Übel), malum physicum (das physikalische Übel) und das malum metaphysicum. (das metaphysische Übel). Wir diskutieren hier nur das malum physicum aus der Sicht  eines Physikers und eines interdisziplinär arbeitenden Natur – und Technikwissenschaftlers. Wir sehen bei einer Entdeckung oder Erfindung die Verantwortung der Wissenschaftler primär darin, die absehbaren Folgen verschiedener Anwendungen (aber auch der bewussten Nichtnutzung des Möglichen) zu diskutieren und abzuwägen. Hinsichtlich drängender globaler Fragen, wie dem essentiellen Klimawandel bedeutet das, möglichst effiziente Maßnahmen aus einem komplexen Möglichkeitsfeld zu erkunden und gegeneinander abzuwägen. Entscheidungen darüber sind dann wesensgemäß gesamtgesellschaftliche Aufgaben und Gegenstand einer nachhaltigen - Politik. Nachdem in der Mitte des 20. Jahrhundert die Energie der Kernspaltung eine erste militärische Nutzung fand, ist sehr viel dazu gesagt worden. Das führte bis zur Behauptung, dass die Hauptverantwortung für Hiroshima und Nagasaki bei Einstein, Hahn und Meitner läge, Das geht zu weit und negiert historische Sachverhalte.  Die Frage nach der Rolle von Kernkraftwerken für eine CO2–freie Energiewirtschaft hingegen scheint dagegen international gesehen, offen zu sein. Das betrifft insbesondere die Nutzung der Kernfusion, einer noch im Erprobungsstadium  befindliche Technologie, die den Mechanismus der Fusionsprozesse in der Sonne in einem irdischen Kraftwerk simulieren soll.

Man hört häufig im Funk, sieht im Fernsehen und liest in der Presse: „Die Wissenschaft sagt, oder die Wissenschaft ist sich einig“. Da handelt es sich um ein Missverständnis über das Wesen der Wissenschaft. Wissenschaft entsteht in der Diskussion und im Streit mit Argumenten. Das Richtige setzt sich häufig erst in einem längeren Findungsprozess durch, es kann nicht durch Abstimmung gefunden werden. Wer Wissenschaft ernst nehmen will, darf ihre Vielstimmigkeit und den immanenten Streit nicht ignorieren.

Das revolutionäre neue astronomische Modell des Kopernikus fand unter Fachgenossen zuerst nur wenige Anhänger und Galilei, der sich dafür einsetzte wurde hart bestraft. Hätte man im ersten Jahrzehnt nach Einsteins neuen Theorien darüber angestimmt, hätte Einsteins Theorie keine Mehrheit bekommen. Wissenschaft ist immer ein Spektrum von Meinungen und „die Wissenschaft“ gibt es nicht, sie entwickelt sich ständig weiter. Wissenschaft ist ein vielfältiges Spektrum von Thesen und Gegenthesen, in der sich das Richtige langsam durchsetzt. Als Prozess stellt sich die Wissenschaft neben neuen Problemen fortgesetzt. verallgemeinernde und vertiefende Fragen, Wissenschaft prüft mit verbesserten experimentellen Methoden und Instrumentarien, mit modellgestützten Simulationen sowie theoretischen Ansätzen und präzisiert ihre stets zeitweiligen Antworten.

Eine besondere Herausforderung für die heutige Wissenschaft ist ohne Zweifel das Problem der Entwicklung des Weltklimas und die Erforschung besonders effektiver Maßnahmen, um einen weiteren Anstieg der Temperatur und der CO2 -Emissionen zu vermeiden. Dazu haben wir einige Überlegungen angestellt und uns als Leibnizianer gefragt: Was wäre den großen Denkern in der Leibnizschen Akademie, wie Helmholtz, Clausius, Nernst, Hertz, Einstein und Prigogine zur Klimakrise eingefallen? Unsere Vordenker hätten empfohlen, grundsätzlich heranzugehen und insbesondere die entscheidenden Bilanzen der physikalischen Grundgrößen wie Energie, Entropie und Stoffe zu prüfen. Sie sahen sich dem Grundsatz verpflichtet, in erster Linie die Naturgesetze zu respektieren. Der erste Hauptsatz der allgemeingültigen Physik besagt, dass Energie weder erschaffen noch vernichtet werden kann. In Bezug auf das Kima heißt das, die von der Sonne an der Erdoberfläche empfangene Strahlungsenergie von etwa 230 Watt pro Quadratmeter ist die entscheidende energetische Determinante der Erde, auf der wir leben. Auf lange Sicht darf nicht mehr verbraucht werden. Die ebenso wichtige Entropiebilanz, die aus der Temperaturdifferenz zwischen Erde und Weltraum resultiert, weist für den Entropieexport den Betrag von 1 Watt pro Quadratmeter und Kelvin aus. Das entspricht einem ständigen Export von Entropie und die Produktion von Entropie of unserem Planeten darf im Durchschnitt pro Quadratmeter den Betrag von 230 Watt/Kelvin nicht übersteigen, anderenfalls wachsen Unordnung und Chaos  Die ebenso wichtigen Stoffbilanzen der Erde sind fast ausgeglichen, d.h. die chemischen Elemente sind bis auf einen ganz kleinen Austausch mit dem Weltraum etwa in konstanter Menge vorhanden und können nur in andere Verbindungen umgewandelt werden. Die neutralen Stoffbilanzen und die Energie- und Entropiebilanzen (oder in Einem, der Exergiebilanzen, d.h. der im Bezug auf die Umgebungstemperatur arbeitsfähigen Energie) sind die physikalischen Determinanten der Evolution unseres Planeten. Für die Klimaentwicklung sind die Bilanzen der Stoff-Flüsse von Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff besonders wichtig. Diese Stoffe sind in der Erdgeschichte zwischen der Atmosphäre und der Kruste hin- und her geflossen und immer wieder umgeformt worden. Vor Jahrmilliarden war vorwiegend Wasserstoff in freier Form und als Wasserdampf, sowie Sauerstoff und Kohlenstoff als CO2 gebunden in einer reduzierenden Atmosphäre vorhanden. Es gab also schon einmal ein CO2 - Problem. Dann erst ‚erfand‘ die Evolution primitive Lebewesen und später die Pflanzen, welche die Photosynthese beherrschten, die mit Hilfe des Sonnenlichtes CO2 spalten konnten. Die Photosynthese der Pflanzen war von zentraler Bedeutung für die Evolution und hat über Jahrmilliarden hinweg die heutigen Bedingungen und insbesondere die heutige Atmosphäre mit freiem Sauerstoff, freiem Stickstoff und einem kleineren Anteil von CO2 geschaffen. Der entstehende Kohlenstoff wurde in riesigen Lagerstätten von Kohle und Kohlewasserstoffen in der Erdrinde geparkt. Ein geringerer Teil verblieb in der Atmosphäre oder wurde in den Ozeanen gelöst. Der CO2 -Anteil in der Atmosphäre ist erst im industriellen Zeitalter wieder angewachsen und gefährdet heute wegen seiner Kopplung mit der Temperaturentwicklung unser Klima.

Diese Skizze macht deutlich: Die Klimaentwicklung ist aus naturwissenschaftlicher Sicht primär ein Problem der Thermodynamik, d.h. der Energie-, Entropie– und Stoffbilanzen. Es handelt es sich genauer gesagt, um Probleme der Thermodynamik irreversiblen Prozesse (TIP). Da beide Verfasser einen Background in dieser Wissenschaft haben, erlauben wir uns (ohne Anspruch auf Vollständigkeit und der Aufforderung zur kollegialen Ergänzung) einige Gedanken aus den dynamischen Flussbilanzen abzuleiten.

Eines der ersten guten Klimamodelle das auf Flussbilanzen gegründet war, stammt von unserem Akademie - Mitglied Heinrich Hertz (1854 - 1897). Aus der Sicht der TIP ist die Klimaentwicklung ein Input – Output – Problem mit Ein – und Ausstrom von Strahlungsenergie und den Ein – und Ausflüssen der Stoffe, insbesondere von Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff, zwischen den oberflächennahen Schichten unseres Planeten. Die CO2 Menge steigt, wenn mehr freies CO2 produziert als gebunden wird und die Temperaturentwicklung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich damit korreliert. Die Uratmosphäre bestand in der frühen Erdgeschichte zu etwa 90 Prozent aus Wasserdampf und CO2, es war kein freier Sauerstoff vorhanden. In den folgenden Jahrmilliarden wurde das Kohlendioxid teilweise in Kalkgesteinen gebunden und nach der Erfindung der Photosynthese durch die Pflanzen unter Freisetzung von Sauerstoff in Form von Holz und schließlich Lagerstatten von Kohle, Erdöl und Erdgas gebunden. Die Stoffbilanz wurde zugunsten von in der Erdrinde gebundenem Kohlenstoff und freiem Sauerstoff in der Atmosphäre verschoben.

Von diesen unbestrittenen erdhistorischen Fakten ausgehend, halten wir es für Erfolg verheißend, die kooperativen Anstrengungen nicht einseitig gewichtet auf die Verringerung von CO2-Emissionen z.B. über regulative Sparmaßnahmen, sondern nach dem Vorbild der Erdgeschichte mindestens ebenso intensiv auf die Erhöhung von CO2 – Einlagerungen zu richten. Das bedeutet, die Forschung auf Grundstoff-Synthesen mit CO2-Reaktanden sowie industrielle CO2 –Kreisläufe zu orientieren, die CO2 langfristig binden. In Einem heißt das, den scheinbaren Schadstoff CO2 zu einem innovativen Rohstoff zu transferieren. Als Beispiel könnte eine neues Milliardenprojekt dienen, das deutsch-norwegische Wasserstoffprojekt H2GE Rostock. Der deutsche Gaskonzern VNG plant in Kooperation mit dem norwegischen Equinor den Bau und Betrieb einer Anlage mit einer Zielleistung von 1,3 Gigawatt in Rostock mit einer jährlichen Wasserstoff-Produktionskapazität von bis zu 230.000 Tonnen, was etwa 20 % des aktuellen Wasserstoffmarktes in Deutschland entspräche. Gemeinsam mit dem Energieunternehmen Equinor soll Erdgas aus Norwegen durch bestehende Leitungen nach Rostock gebracht und unter Nutzung der Elektroenergie der Windparks an der Ostseeküste dort weiterverarbeitet werden. Bei dem angestrebten Verfahren wird Erdgas in Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff gespalten. Bis zu 230000 Tonnen „blauer Wasserstoff“ pro Jahr sollen von der deutschen Industrie genutzt und etwa 20% des Bedarfs liefern. Das CO2 soll verflüssigt im Meeresboden bei Norwegen gebunden werden. Soweit der Plan, der nun vor einem Canossa-Gang durch behördliche Genehmigungen steht, aber eine perspektivreiche Richtung zeigt. Aus thermodynamischer Sicht ist das Projekt sinnvoll und machbar. Dazu zeigen wir das Phasendiagramm von CO2  aus dem wichtigethermodynamischen Informationen hervorgehen. Wie unser Phasendiagramm zeigt, hat COeinen Tripelpunkt bei etwa minus 56 Grad Celsius und 74 bar und es gibt

auch bei normalen Meerestemperaturen unter hohem Druck einen weiten Bereich, in dem CO2 in flüssiger Form vorliegt. Da der Wasserdruck mit 10 m Tiefe um etwa 1 bar zunimmt, müsste das flüssige COin einer Tiefe von mehreren 100 Metern im Ozean gelagert werden. Das ist zwar schwierig, stellt aber heutzutage kein unlösbares technisches Problem dar. Man kann nur hoffen, dass solche innovativen Lösungen ebenso große Aufmerksamkeit finden wie die teuren, und teilweise aufwendigen Maßnahmen zur Verringerung von Emissionen.

Wir habe hiermit nur ein gewiss interessantes und machbares Projekt aufgezeigt, allgemeinere und gewiss ergänzungsbedürftige richtungsweisende Beispiele für das Binden von COund die Verringerung von Emissionen sind aus unserer Sicht:.

1. Ausbau der Wald-, Grün- und Moorflächen, strikte internationale Verbote großflächiger Rodungen von Wald und besonders wichtig, Importbeschränkungen für Holz, Soja, usw. durch internationale Vereinbarungen. Es sollten ökonomische Anreize für klimaoptimierte Anpflanzungen (widerstandsfähigereWälder, Biodiversitätsförderung) und nicht für Rodungen geschaffen werden.

2. Diversifizierung der Bindungstechnologien von CO2 aus der Energietechnik mittels der Vielfalt von Sorption-Prozessen und Reaktionen, wie der Fixierung von CO2 in synthetischen Kraftstoffen (bio fuel) und andere stofflichen Nutzungen von CO2 in der Industrie. Aus dieser Sicht bietet die Synthese von Kohlenwasserstoffen als Kraftstoff gegenüber der direkten Nutzung von grünem Wasserstoff einige Vorteile, weil der Kohlenstoff damit eine gewisse Zeit stabil gebunden wird.  

3. Entwicklung und Einführung neuer Technologien in der Bauwirtschaft und anderen Technologiefeldern. Man darf darunter nicht nur die Dämmsysteme verstehen, die die Transmission der ambivalenten Wärme herabsetzen, sondern auch primäre Technologien, die generell die CO2 – Bilanz verbessern. Beispielweise werden beim Kalkbrennen für die Baustoff- und Hüttentechnologie noch immer große Mengen CO2freigesetzt. Zur Verbesserung   der CO2–Bilanz führt ein verstärkter Einsatz von Kunststoffen, die aus Erdöl gewonnen werden und Kohlenstoff binden, sowie deren Recycling z.B. über kalte Plasmen. Eine besonders effektive Methode, um Kohlenstoff der Atmosphäre zu entnehmen und langfristig zu binden, ist die stärkere Verwendung von Holz als Baustoff und Stroh als Dämmstoff. Holz und Stroh, die schon unsere unmittelbaren Vorfahren intensiv beim Hausbau eingesetzt haben, fixieren CO2 sehr langfristig. Schließlich bedarf es der zeit- und problemgerechten Realisierung der schon ausgiebig erörterten Ziele der hochkomplexen Energiewende 2.0.

4. Direktes Fixieren von CO2 in der Erdrinde oder in den Ozeanen, etwa mit der Einlagerung von CO2 -Emissionen aus Kraftwerken in tiefen Gesteinsschichten, oder wie oben beschrieben unter Druck am Ozeanboden. Diese Technologien sind in der BRD gesetzlich erlaubt, werden allerdings in der deutschen Presse noch kritisch gesehen, dabei wird leider eher ideologisch als naturwissenschaftlich argumentiert. Das Binden von Kohlenstoff in der Erdrinde und im Meerwasser funktionierte Jahrmilliarden und bot die entscheidende Grundlage für zahlreiche Funktionalitäten unserer heutigen Welt.

5. Auch die Weiterentwicklung der Klima-Theorie muss erwähnt werden; ihre  vordringliche Aufgabe besteht darin, die bestehenden Klimamodelle auf ein Niveau zu heben, in dem die beobachteten Trends nicht länger weit im Unsicherheitsbereich der Modelle liegen. Dann könnte auch die Auswirkung technischer Maßnahmen auf das Klima, darunter auch die Wirkung der aufgezählten Punkte
zuverlässiger quantitativ bewertet werden.

6.  Der Herstellung, Einsatz und Export von Explosivbomben und -granaten sollte international geächtet werden. Fast jede hergestellte Bombe oder Granate kommt irgendwann zur Explosion und sei es noch so fern im Ausland oder bei der Entsorgung. Detonationen sind Klimakiller, egal, wo und wann die Bomben und Granaten gezündet werden. Sie erzeugen eine große Menge CO2 und was noch schlimmer ist, sie erzeugen durch Zerstörung von Bauwerken enorme Mengen von Entropie. Als verheerendster CO2 – und Entropie - Produzent und Klimakiller sollte Herstellung und Verkauf von Bomben und Granaten verboten werden, dagegen ist die Nutzung kleinkalibriger Waffen weniger relevant für die Klimaentwicklung. Die 5 großen Kriege des 21. Jahrhunderts haben durch Detonationen und Zerstörungen riesigen Ausmaßes unserem Klima einen Todesstoß versetzt. Allein in den Irak- und Lybien – Kriegen hat es über 50000 Lufteinsätze mit Explosivwaffen gegeben. Auch im gegenwärtigen Ukraine - Krieg gibt es eine hohe Zahl von Bomben – und Granaten – Einsätzen, es sollen auch schon Tausende sein, aber genaue Zahlen liegen noch nicht vor.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Herstellung und der Einsatz von Bomben und Granaten, sowie deren gewinnträchtiger Export ist wohl die größte ‚Sünde‘ wider die Leibnizsche Theodizee – mit der inhärenten Idee der Schaffung einer besseren Welt.  Als Realisten wissen wir, damit ein Ideal aufzurufen, dem man sich nur asymptotisch nähern kann. Aber wir sind viel zu weit von diesem hohen Ziel entfernt, als den Zustand in der Gegenwart akzeptieren zu können.

 

Noch einige Gedanken zu einer der wichtigsten aktuellen Fragen, auf welche Träger für den Transport von hochwertiger Energie sich zukünftiger Technologien orientieren sollten. Oft wird heute gesagt, das Wasserstoff der ideale Träger ist, da er bei Verbrennung nur Wasser erzeugt und somit absolut emissionsfrei ist, aber auch diese Frage muss noch diskutiert werden. Man darf einen entscheidenden Nachteil des Wasserstoffs nicht unterschätzen, der ein Sicherheitsproblem darstellt. Wasserstoff ist extrem flüchtig, schwer einzulagern und zu leiten, ist fast in allen Mischungsverhältnissen mit Luft hoch explosiv. Diese Eigenschaften stellen extreme Anforderungen an die Sicherheitstechnik und das dürfte eine Nutzung z.B. in normalen Haushalten wohl noch lange Zeit ausschließen. Wer möchte mit seiner Familie in einem Haus leben oder in einem Auto fahren, das mindesten zehn- oder hundertmal so explosiv ist, wie Haushaltsgas oder Benzin. Auch stellt die Leitung von Wasserstoff durch Pipelines ein hohes Risiko für Ansiedlungen in der Umgebung dar. Es liegt aus diesen Gründen nahe, den Wasserstoff für den Transport vom Erzeuger zum Nutzer in einer stabilen Form zu binden. Dafür sind viele Varianten in der Diskussion und technischen Erprobung. Dabei bieten sich erst einmal erprobte Technologien an, wie die Nutzung von Propan d.h. C3H8  oder ähnlichen Kohlenwasserstoffen an, weil es bereits eine erprobte Technik der Nutzung von Propan für Antriebs- und Heizungszwecke gibt. Damit würden die erheblichen Kosten für die Entwicklung neuer Technologien wegfallen, allerdings bleibt das Problem ungelöst, wie das bei der Nutzung entstehende CO2 gebunden und eingelagert werden kann. In den letzten Jahren wird eine andere neue Technologie intensiv erforscht, die Ammonium – Energetik.  Wir wissen, dass unser Mitglied Fritz Haber seit 1904 die katalytische Bindung von Wasserstoff und Stickstoff zu Ammoniak erforschte, gemeinsam mit Bosch das Haber – Bosch – Verfahren entwickelte und 1918 für diese bedeutsame Erfindung mit dem Nobelpreis des Jahres 1918 ausgezeichnet wurde. Einige Autoren geben an, dass flüssiges Ammoniak hat mit 22,5 MJ/L eine Energiedichte hat, welche die von flüssigem Wasserstoff mit 8.5 MJ/L und komprimiertem Wasserstoffgas mit etwa 4.5 MJ/L deutlich übersteigt. Weniger günstig fällt eine realistische Gesamtbilanz aus. Bei der Verbrennung von Ammoniak entstehen nur Stickstoff und Wasser. Für die Herstellung von 1 kg Ammoniak werden etwa 0,6 kg Methan oder rund 30 MJ ≈ 8,3 kWh benötigt. Der Heizwert von Ammoniak beträgt 5,2 kWh/kg. Dies entspricht einer Effizienz für die Herstellung von 63%. Nach dieser Abschätzung ist der Heizwert von NH3 nur etwa halb so hoch wie der von Benzin oder Diesel und etwa ein sechstel so groß wie jener von flüssigem Wasserstoff. Immerhin ist diese Technologie schon erprobt, denn Ammoniak wurde schon 1872 als Antrieb für Straßenbahnen in New Orleans verwendet. Auch die Autoindustrie hat schon mit Ammoniak experimentiert, in den 40er Jahren fuhren belgische Busse mit Ammoniak und 1981 wurde in den USA ein Chevrolet Impala mit Ammoniak betrieben. Bei dieser Nutzung wird in der Regel flüssiges Ammoniak verwendet. Das in Abb. 1 gezeigte Phasendiagramm zeigt, dass es zwischen 200 K und 300 K einen weiten Druckbereich gibt, in dem Ammoniak in flüssiger Phase vorliegt und gut transportiert werden kann. Unter 9 bar Druck lässt es sich schon bei 20 °C verflüssigen. Allerdings ist Ammoniak giftig, aber Menschen riechen Ammoniak bereits in geringsten, ungefährlichen Konzentrationen und werden gewarnt. Ammoniak lässt sich auch gut in Brennstoffzellen herstellen: Dabei wird an der mit einem Katalysator beschichteten Anode Wasser in Sauerstoff, H+-Ionen und Elektronen gespalten. Die Protonen diffundieren durch einen Elektrolyten und eine Membran zur Kathode. Die Elektronen erreichen diese über eine Draht-Verbindung. An der Kathode werden Stickstoff-Moleküle mit Hilfe eines Katalysators in N-Atome aufgespalten, die dann mit den Protonen und Elektronen zu NH3 reagieren können. Diese Eigenschaften und die Tatsache, dass bei einer Verbrennung nur Wasser und Stickstoff einsteht, macht Ammoniak zum erstrangigen Kandidaten für eine CO2 freie Energiewirtschaft. Es gibt schon erste erfolgreiche Einsätze in emissionsfreien Brennstoffzellen und Turbinen und erste praktische Anwendungen für Kraftwerke und Schiffsmaschinen. Der flüssige Ammoniak kann in einer Turbine verbrannt oder in einer NH3-Brennstoffzelle zur Netzstabilisierung in elektrische Energie umgewandelt werden. Das ist zumindest ein perspektivreicher Weg in eine zukünftige CO2 - freie Energiewirtschaft, wenn auch viele technische Probleme der Ammonium – Energetik noch offen sind.

 

Soweit einige Überlegungen, inspiriert durch den Apell der Präsidentin der Leibniz – Sozietät, uns der Verantwortung für eine bessere Welt ins Zentrum unserer wissenschaftlichen Arbeit zu stellen.  Wir wissen, dass eine tragfähige Beurteilung und effiziente Einflussnahme nicht durch einzelne Wissenschaftler möglich ist und sind der Auffassung, nur interdisziplinäre Teams aus relevanten Wissenschaftsgebieten, die ohne Vorurteile herangehen, sind dazu in der Lage.

Zur Klarstellung sei noch betont, die Naturgesetze, hier insbesondere die beiden  Hauptsätze und die Bilanzgleichungen der Thermodynamik irreversibler Prozesse, schreiben vor, was nicht geht, sie offerieren aber auch ein Möglichkeitsfeld. Sie zeigen insbesondere, dass man ein zuträgliches Klima nicht retten kann, ohne die Bilanzen von Entropie und Kohlenstoff in kurzen Fristen zielgerichtet zu verbessern und dabei die Kapazitäten der verschachtelten Erdsphären korrekt zu berücksichtigen. Das ist eine „conditio sine qua non“. Wie das im Einzelnen umgesetzt wird, ist eine gesamtgesellschaftliche Entscheidung mit einer großen Verantwortung für die Wissenschaftler, der wir uns zu stellen haben.

 

Literatur:
[1]. W  Ebeling, L. Fleischer, Theodizee – Klimaproblem und unsere Verantwortung -  Gedanken zum Bericht der Präsidentin auf dem Leibniz – Tag 2022
[2] R. Feistel. W. Ebeling, Physics of Self – Organization and Evolution, Wiley – VCH,Weinheim 2011

 


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