Gymnasiallehrer Adolf Klingberg (24.10.1855 - 04.04.1934)

Adolf Heinrich Leonhard Klingberg wird am 24. Oktober 1855 in Rostock als einziger Sohn eines Lokomotivführers aus Güstrow geboren. Seit Neujahr 1871 besucht er die Domschule zu Güstrow, wird Ostern 1874 Mitglied der Prima und verläßt am 8. September 1876 mit dem Zeugnis der Reife das Großherzogliche Gymnasium. Die Prüfungskommission unter Dr. Heinrich Raspe schätzt Klingbergs Leistungen wie folgt ein [1]:

  1. Deutsch: Nothdürftig genügend
  2. Lateinisch: Nothdürftig genügend
  3. Griechisch: Im ganzen befriedigend
  4. Französisch: Nicht befriedigend
  5. Geschichte: Völlig befriedigend
  6. Mathematik: Völlig befriedigend

Auf den ersten Blick scheint dieses Zeugnis nicht überragend zu sein (Note zwei), aber es zeigt Klingbergs Neigung für Mathematik und Naturwissenschaften. Unter Punkt 6 (Mathematik) ist vermerkt [1]: Auch in dieser Wissenschaft hat er von jeher reges Interesse und lobenswerten Fleiß bewiesen. Wie zu erwarten war, fiel(en) seine schriftliche Arbeit ... (und die) mündliche Prüfung besonders gut aus ... .

Der nicht sehr bemittelte, aber begabte Absolvent der Güstrower Domschule studiert an der Universität Leipzig vom 23.10.1876 an drei Semester Mathematik und Naturwissenschaften (stud. math. et rer. nat.) [2]. Danach immatrikuliert sich der 22-Jährige am 25. April 1878 an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock [3]. Stud. phil. Adolf Klingberg hört Vorlesungen über Physik bei Prof. Ludwig Matthiessen  (KB 11/2011) und über Mathematik bei Prof. Johann Martin Krause  (KB 07/2013). Als Teilnehmer des Mathematisch-Physikalischen Seminars (KB 10/2018) wird Adolf Klingberg im Sommersemester 1880 von seinem Lehrer Matthiessen zur Prämierung mit 50 Mark vorgeschlagen.

Das Verzeichnis der Behörden, Lehrer, Beamten, Institute und Studierenden der Universität Rostock für das Wintersemester 1880/81 listet, neben Direktor Matthiessen und Diener Maaß, cand. phil. A. Klingberg als Assistent am Physikalischen Institut auf.

Adolf Klingberg arbeitet ebenso wie Ludwig Matthiessen zur Dioptrik (physiologischen Optik), speziell Ueber den physikalisch-optischen Bau des Auges der Hauskatze. Seine Tätigkeit als Vorlesungs- und Praktikumsassistent wird als vorzüglich fleißig eingeschätzt. Doch eine Universitätslaufbahn mit Promotion, Habilitation und dem Erhalt der venia legendi (Lehrbefugnis), um als Privatdozent tätig zu sein, kann Klingberg nicht einschlagen. Ausschlaggebend sind wohl in erster Linie finanzielle Gründe. In seiner Studentenakte [1] sind Anträge (teilweise in Latein) an die Gremien der Universität enthalten, die die Stundung der Gebühren für seinen Vorlesungsbesuch zum Inhalt haben und Zeugnisse seiner Bedürftigkeit sind. Da wohl ein beantragtes Stipendium nicht bewilligt wird und die Assistentenvergüting zu gering ist, bittet stud. phil. Klingberg im November 1880 um Gewährung der Exmatrikulation [1]: Unterzeichneter richtet an Eure Magnifizenz und sein hochzuverehrendes Konzil die gehorsame Bitte, ihn jetzt die Exmatrikel verleihen zu wollen, da derselbe sich erst vor kurzem entschlossen hat, sich die Arbeiten zur Staatsprüfung zu erbitten.

Nach dem Ablegen der Lehramtsprüfung für den höheren Schuldienst erhält Klingberg eine wahrscheinlich besser vergütete Stelle als Lehrer an der Güstrower Domschule, die er als Schüler im Jahre 1876 verlassen hat. Hier setzt der Gymnasiallehrer Adolf Klingberg, sicherlich auf Anregung und in Zusammenarbeit mit seinem wissenschaftlichen Lehrer Ludwig Matthiessen in Rostock, die Forschungen zur Dioptrik fort. In Güstrow erscheinen ab 1888 seine Beiträge zur Dioptrik der Augen einiger Hausthiere (drei Teile) [4] als wissenschaftliche Beilagen zu den Jahresberichten der Großherzoglichen Domschule (Gymnasium).

Diese Publikationen enthalten experimentelles Material über die Bestimmung der Brennpunkte, der Krümmungsradien, der Brechungsindizes und weiterer Größen von Linsen verschiedener Tiere. Diese Konstanten sind tabellarisch zusammengefaßt, wobei häufig ein Vergleich der Resultate von Klingberg mit den Ergebnissen von Matthiessen und anderer Autoren vorgenommen wird. Weiterhin führt der Autor mathematisch recht anspruchsvolle Berechnung(en) \der Cardinalpunkte(Brennpunkte) des Wirbelthierauges aus den gemessenen Dimensionen und Brechungsexponenten ...  unter Benutzung der Matthiessenschen Differentialgleichung und ihrer Integrale [4] durch.

Diese wissenchaftlichen Arbeiten von Adolf Klingberg über mathematische und physikalische Fragen von Linsensystemen reihen sich in die Forschungen zur Ophthalmologie (Augenheilkunde) ein, die am Ende des 19. Jahrhunderts durch H. von Helmholtz, A. von Graefe u. a. gefördert werden. In einer Festschrift zum 70. Geburtstag von Hermann von Helmholtz (1891) schreibt Prof. Ludwig Matthiessen von der Universität Rostock über neuere Ergebnisse in der physiologischen Optik (Dioptrik), wobei die Ergebnisse seiner Schüler Adolf Klingberg, Paul Moennich  (KB 10/2013) u. a. Berücksichtigung finden [5].

Quellen

[1] Universitätsarchiv Rostock, Bestand 1.09.0, Studentenakte Adolf Klingberg.

[2] Universitätsarchiv Leipzig, Matrikelbuch Rep. M 29 und Studentenliste Rep. B 57.

[3]  Eintrag zu Adolf Klingberg im Rostocker Matrikelportal: http://purl.uni-rostock.de/matrikel/200002241

[4] A. Klingberg: Beiträge zur Dioptrik der Augen einiger Hausthiere, Teil I (1888), Teil II (1889) und Teil III (1892). In: Güstrower Domschule 1881 - 1900, UB Rostock, Signatur MK-9453(7).

[5] R. Mahnke: Adolf Klingberg - ein vielseitiger Gymnasiallehrer an der Domschule zu Güstrow am Ende des 19. Jahrhunderts. In: Rostocker Wissenschaftshistorische Manuskripte, Heft 13, 1986, S. 34 - 37, UB Rostock, Signatur MK-A 3833.

Reinhard Mahnke, Juni 2019