Das Physikalische Praktikum gestern und heute
Für das Sommersemester 1875 kündigt Ludwig Matthiessen (KB 11/2011), Ordinarius der Physik seit 1874, folgende Lehrveranstaltungen an [1, 2]:
1. erster Teil der Experimentalphysik,
2. Vorlesungen der praktischen Physik im Laboratorium,
3. Besprechungen über physikalische Gegenstände.
Aus dem unter Punkt 2 genannten praktischen Physik entwickelt sich das Physikalische Praktikum, zuerst als praktisch-physikalische Übungen (8stündig, später 12stündig) angezeigt. Aus diesen Veranstaltungen entstehen das kleine physikalische Praktikum für Mathematiker, Mediziner, Chemiker sowie Pharmazeuten und das große physikalische Praktikum, Anleitung für wissenschaftliches Arbeiten für Geübte. Heute vergleichbar mit dem Praktikum für Nebenfachstudenten sowie dem Grund- und Fortgeschrittenenpraktikum für Physik-Studierende.
Im Physik-Institut am Universitätsplatz sind die Praktikumsräume zuerst im 2. OG. In den 1950er Jahren erfolgt der Ausbau des Dachbodens zum Praktikum, dessen Modernisierung 1993/94 beginnt (Foto oben) und 1997/98 endet. Nach dem Umzug 2015 in die Albert-Einstein-Str. befindet sich das Praktikum jetzt im Lehrgebäude (Ultraschallwellen-Versuch im Foto unten).
Nach der DDR-Hochschulreform 1968 wird an der Rostocker Sektion Physik eine selbständige Arbeitsgruppe Physikalisches Praktikum gegründet, dessen Leiter Dr. Gerhart Ruickoldt (22.06.1931 – 03.08.2001) wird. In der Folgezeit sind seit 1993 Dr. Ulrich Schnell (25.08.1942 - 21.04.2021), seit 2004 Dr. Norbert Enenkel (geb. 1952), seit 2008 Dipl.-Ing. Dieter Bojarski (geb. 1948) sowie seit 2013 MSc. Stephan Graunke (geb. 1982) in verantwortlicher Position für das Praktikum tätig.
Dr. Ruickholdt initiiert die Tagung der Praktikumsleiter Deutschlands, die in jährlichem Wechsel an einer anderen Universität stattfindet. In diesem Jahr (2017) treffen sich die Praktikumsverantwortlichen bereits zur 43. Zusammenkunft.
Der von Dr. Enenkel mitkonzipierte Versuchsaufbau Beugung an stehenden Ultraschallwellen – Debye-Sears-Effekt erlaubt die Messung der Ultraschallgeschwindigkeit. Dieser Versuch zur Sichtbarmachung stehender Ultraschallwellen in Flüssigkeiten, siehe Foto unten, basiert auf einer Publikation von Ch. Bachem, E. Hiedemann und H. R. Asbach [3] und hat einen historischen Hintergrund zur Rostocker Physik. Die genannte Arbeit entsteht im Dezember 1933 in der Abteilung für Elektrolytforschung am Physikalischen Institut der Universität Köln. Die Autoren danken im Nachwort dem Leiter der Abteilung, Herrn Prof. Dr. H. Falkenhagen, für sein großes Interesse und einige anregende Diskussionen im Zusammenhang mit unseren Untersuchungen.
Der theoretische Physiker und Elektrolytforscher Hans Falkenhagen (1895 – 1971) wird 1949 als Professor an die Universität Rostock berufen und gründet 1951 das Institut für Theoretische Physik, siehe (KB 02/2016). Seine Monografie Elektrolyte erlebt mehrere Auflagen und wird 1971 als Theorie der Elektrolyte [4] unter Mitwirkung vom damaligen Dozenten Dr. Werner Ebeling neu herausgegeben.
Literatur
[1] Personalakte und Nachlass Ludwig Matthiessen, UAR.
[2] Verzeichnis der Behörden, Lehrer, Beamten, Institute und Studierenden der Universität
Rostock, rosdok.uni-rostock.de/data/Preview-PuV/PDF/1874_SS_PV.pdf .
[3] Ch. Bachem, E. Hiedemann und H. R. Asbach: Die Sichtbarmachung stehender Ultraschallwellen in Flüssigkeiten und eine neue Methode zur Bestimmung der Ultraschallgeschwindigkeit, Zeitschrift für Physik 87 (1934) 734-737.
[4] H. Falkenhagen: Theorie der Elektrolyte, S. Hirzel Verlag, Leipzig, 1971.
Reinhard Mahnke und Norbert Enenkel, Mai 2017
Poster A0 zum Kalenderblatt 06/2017
Ergänzungen (R. Mahnke, 07.08.2021)
1. Aus der Todesanzeige von Erika Schnell, Stadtroda, im April 2021: Traurig und dankbar müssen wir Abschied nehmen von Dr. Ulrich Schnell, geb. 25.08.1942, gest. 21.04.2021.
2. Eintrag von Dr. Norbert Enenkel im Matrikelportal (MPR): http://purl.uni-rostock.de/matrikel/520005353
3. Eintrag von MSc. Stephan Graunke im Matrikelportal (MPR): http://purl.uni-rostock.de/matrikel/600042807