Das Mathematisch-Physikalische Seminar

Zur Vorgeschichte

Bereits 1834 errichten der ordentliche Professor für Physik und Mineralogie Franz Ernst Neumann (1798 - 1895) und der Mathematiker Carl Gustav Jacobi (1804 - 1851) in Königsberg das erste Mathematisch-Physikalische Seminar, bei dem Studenten experimentelle und theoretische Aufgaben eigenständig unter Anleitung durch die Professoren lösen müssen. Diese damals neue Unterrichtsform wird an der Landesuniversität Rostock erst 45 Jahre später eingeführt.

Zum Wintersemester 1878/79 tritt der Professor für Mathematik und Astronomie Johann Martin Krause (KB 07/2013), als Student am o. g. Königsberger Seminar geprägt, seinen Dienst in Rostock an. Das erste schriftliche Zeugnis über das Rostocker Mathematisch-Physikalische Seminar datiert vom 7. Dezember 1878. Prof. Ludwig Matthiessen  (KB 11/2011) fertigt einen handschriftlichen Entwurf über die Gründung und die Statuten des Seminars an, der von ihm als Professor der Physik und von Prof. Martin Krause unterschrieben ist [1]. Dieser Entwurf geht an das Unterrichtsministerium nach Schwerin.

Die Gründung 1879

Am 27. Februar 1879 beurkundet Friedrich Franz II. (1823 - 1883) mit Unserer Höchsteigentlichen Unterschrift und beigedrucktem Großherzoglichen Insiegel seine Entscheidung, ein mathematisch-physikalisches Seminarium an Unserer Universität zu Rostock zu errichten und die hierneben angehefteten Statuten für diese Anstalt genehmigt und bestätigt haben. Das Seminar soll zu dem bevorstehenden Sommer-Semester ins Leben treten, siehe dazu den Text der abgebildeten Original-Urkunde sowie die einfacher lesbare  Druckschrift als Digitalisat [2].

Die Statuten des Mathematisch-Physikalischen Seminars bestehen aus sechs Paragraphen:

  • Paragraph 1 regelt die Ziele, die Themenstellung, aber auch Fragen der Leitung. Zu Letzterem heißt es: Die besondere Einrichtung und Anordnung der seminaristischen Übungen ist den Directoren überlassen.
  • Paragraph 2 legt fest: Mitglieder des Seminars können werden die Studirendender Mathematik und Physik an der Universität.
  • Paragraph 3 sieht die Möglichkeit einer Prämierung von sechs Teilnehmern mit je 50 Mark pro Semester vor.
  • Paragraph 4 regelt die Beschaffung von Hülfsmitteln wie Bücher, Modelle und Karten für jährlich 300 Mark.
  • Paragraph 5 regelt die Prämienvorschläge und den Jahresbericht an das Ministerium in Schwerin.
  • Paragraph 6 legt den Beginn des Seminarbetriebs fest: Die gegenwärtigen Statuten treten mit Ostern 1879 in Wirksamkeit.

In [1] sind alle Prämienvorschläge und Jahresberichte enthalten, wobei in der Regel die beiden Direktoren Prof. Matthiessen und Prof. Krause (ab 1889 Prof. Otto Staude) eigenständig wirken und jährlich über die Hälfte des Jahresetats von 900 Mark verfügen.

Der Seminarbetrieb im Studienjahr 1880/81

Schauen wir exemplarisch auf das Studienjahr 1880/81. Laut Paragraph 5 der Statuten haben beide Direktoren ihre Berichte einzureichen. Am 15.10.1881 schreibt Prof. Matthiessen über Fortgang und Wirksamkeit des physikalischen Seminars wie folgt [1]: \enquote{\dots wird hierdurch gehorsamst unterbreitet, dass\\
a) im ersten Semester des Verwaltungsjahres 1880/81 vier Mitglieder an der Übungen des Seminars
theilgenommen haben, nämlich \\
\MPRLink{200002241}{Adolf Klingberg} aus Rostock, inscribirt Mich. 1876 (eingeschrieben am  
29.09.1876), %\\
\MPRLink{200003060}{Karl Stier} aus Schwerin (1877), %\\
\MPRLink{200001687}{Otto Kuntze} aus Güstrow (1875), %\\
\MPRLink{200003220}{Paul Blunk} aus Brunshaupten (1880). \\
Die Übungen fanden wöchentlich
in je 2~Stunden statt. Es wurden Themata zu schriftlichen Arbeiten aus verschiedenen Gebieten der
mathematischen Physik gestellt. Vorzugsweise wurden freie Vorträge verschiedene Novitäten in
Zeitschriften sowie über Gegenstände der Experimentalphysik von den Mitgliedern gehalten\ldots\,.
Am Ende des ersten Semesters sind zur Prämierung mit je 50 Mark empfohlen Klingberg, Stier und
Kuntze, was in Gemäsheit der Hohen Resolution vom 24. März 1881 genehmigt worden ist.\\
b) Im Sommersemester 1881 ist wegen Mangel Geübter das Seminar nicht zu Stande gekommen.\\
Die Rechnungsablage für die Lehrmittel des Seminars belief sich laut Liquidation am 1. Juli 1881
auf 95,90\,M, so dass die Kasse der physikalischen Abtheilung des Seminars einen Überschuss von
rund 200\,M aufgewiesen hat.}